VALENTIN OMAN

Valentin Oman, Arbeiten und Projekte
für den öffentlichen Raum

Irmgard Bohunovsky-Bärnthaler

Zum 70. Geburtstag von Valentin Oman erscheint dieses Buch – eine Retrospektive seiner Arbeiten im "öffentlichen" Raum - oder, wie Oman es lieber formuliert, von "Auftragsarbeiten". Die 70 Jahre sieht man ihm nicht an, dennoch, um solche Spuren in einer Region zu hinterlassen, braucht es schon Jahre. Vor allem in einem Land, das aus seiner Mehrheit-/Minderheitsituation offensichtlich mit Lust seine Konflikte braut und am Brodeln hält, ist es schon ein gewaltiger Balanceakt, sich zur Minderheit zu bekennen und von beiden Gruppen akzeptiert zu werden. Es scheint, als bestünde hierzulande eine untergründige Angst, durch Beilegung der Konflikte sozusagen etwas Vollendetes zu schaffen und dann darüber traurig sein zu müssen, weil es vollendet ist. Als wenn es keine anderen Probleme gäbe, die die Lebendigkeit, das heißt Unvollendetheit des Landes bezeugen könnten! Oman hat es irgendwie geschafft, sich in diese Minderheitenproblematik nie zu verbeißen, hat aber trotzdem immer Stellung bezogen. Vielleicht dass da seine Gymnasialausbildung im bischöflichen Seminar in Tanzenberg ihm eine Position im Sinne einer Koinzidentia Oppositorum verinnerlicht hat, wobei ihm das Diesseits etwas wichtiger zu sein scheint als das Jenseits, Grenzüberschreitungen aber zu seinem Alltag gehören. Seine Klagen über bösartig scheinende Grenzformalitäten bei Bildertransporten zu seinen Ausstellungen nicht nur nach Jugoslawien und später Slowenien, sondern auch in andere Staaten Europas sind Legende, vor allem, weil ihm Grenzen prinzipiell unnötig scheinen, vor allem in Sachen kulturellen Austausches hier auf diesem kleinen Globus und angesichts immer größerer Probleme als den jeweilig anstehenden. Als endlich Slowenien der EU beitritt, demonstrierte Oman dies mit einer Ausstellung in Slowenien und dem Bildertransport dorthin: Er fuhr als Erster mit einem Lastwagen voller Bilder ins EU-Slowenien, großer Medienrummel an der Grenze, eine Art Kunst-Demonstration im geöffneten Raum. Diese Denkhaltung ist eine gute Voraussetzung für einen zwischenmenschlichen Umgang ohne Schärfe, der nichts anderes fordert als Offenheit für das Prinzip Unschärfe. Nichts Lebendiges ist endgültig, und wenn einmal etwas so und nicht anders ist, ist es tot. Scharfe Positionen in der Politik haben ihm sichtlich nicht behagt, wenn nötig, bezieht er Stellung, sonst wartet er, bis die Schärfe splittert. Mit anderen Worten, er ist nur schwer zu vereinnahmen für ein bestimmtes Weltbild, so oder so. Was ihn interessiert, ist der Mensch, der sich innerhalb diverser Weltbilder einrichten muss.

 

I. Was ist Kunst im öffentlichen Raum? Was sind öffentliche Räume heute? Gibt es noch öffentliche Räume? Wolfgang Welsch verneint es, es gäbe sie nicht mehr, Räume einer demokratischen Öffentlichkeit, es gibt Einkaufszonen, Kreisverkehre, hyperästhetisierte Innenstädte usw. Es gibt diesen Raum nur mehr dem Worte, aber nicht mehr der Sache nach.1 Öffentliche Räume, so Welsch, sind heute die Medien, hier wird diskutiert, hier finden die Talkshows statt, hier hat alles keine Dauer. Es lost sich auf, man schwimmt durch die Kanäle, wir erinnern uns an nichts mehr. Von E.M. Cioran stammt die Bemerkung: "Man könnte meinen, dass die Materie in ihrer Eifersucht auf das Leben dieses ständig belauert, um seine Schwächen herauszufinden und seine Initiativen und Verrate zu bestrafen. Denn das Leben ist nur Leben durch seine Untreue der Materie gegenüber."2

 

Hat sich Materie also eingeschlichen in die Medien, um das Leben dort zu packen, wo es am schwächsten ist: In der Vergänglichkeit, im Verschwinden, im Unscharfen, im Abgleiten dorthin, wo vielleicht noch Erinnerung ist. Hier im Zappen durch die Kanäle ist auch Erinnerung nicht mehr. Privat/öffentlich, die Grenzen verschwimmen, sind unscharf. Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesellschaftliche und politische Ordnungssysteme ohne Grenzen nicht auskommen, auch zwischenmenschliche Beziehungen bedürfen gewisser Grenzziehungen – wenn sie im Alltag funktionieren sollen. Es geht also um eine Balance zwischen Starre und Flexibilität, um das Verhältnis zwischen dem, was scheint und dem, was ist. Omans Arbeiten thematisieren eben dies: dass das, was zu sein scheint, nicht ist und das was ist, nicht (auf)scheint.

 

Theoretische Diskussionen spielen dann, wenn es um ein konkretes Vorhaben geht, nur eine geringe Rolle, schließlich wird etwas gebraucht und für den Künstler winkt ein Auftrag.

 

Kunst in öffentlichen Räumen, im traditionellen Sinn, war und ist auch ein Teil von Kunstförderung, besser gesagt, Künstlerförderung. Es geht also nicht nur darum, ob und wie ein öffentlicher Raum künstlerisch gestaltet werden soll, sondern es gibt auch einen politischen Willen zur Kunst(Künstler)förderung und das im Interesse von durchaus legitimer Selbstdarstellung des Politischen.

 

"Kunstförderung war immer Aufgabe der Politik. Unabhängig vom System gaben Architektur und Kunst den politisch Mächtigen durch die Jahrhunderte Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Herablassend sprechen Museumsdirektoren noch heute von Staatskunst. In der Demokratie, die die Macht nur auf Zeit überträgt, ging die Aufgabe von Kunstförderung ein Stück weit von Personen auf Institutionen über, für die freilich wiederum Menschen unterschiedlichen Geschmacks, Kunstverstands und Interesses auswählen und dekretieren"3 - in diesem Text sind die wesentlichen Momente zusammengefasst: woher kommt das Geld, wer wählt aus, wer vergibt den Auftrag, warum wird überhaupt ein künstlerischer Auftrag vergeben, was soll durch eine künstlerische Ausgestaltung erreicht werden?

 

Jede Kunst verlangt nach Öffentlichkeit, ja sie wird erst zur Kunst durch Rezeption. In öffentlichen, für jeden zugänglichen Räumen, ja, für viele nicht zu umgehenden Räumen kann ein Kunstwerk zwischen Augenweide und Ärgernis alle Aspekte abdecken. Literatur zu diesem Thema gibt es viel. Es ist evident, dass Kunst im öffentlichen Raum auch immer Machtverhältnisse widerspiegelt, und wenn keine Kunst da ist, tut sie es auch – dann spiegelt sie eben wider, dass z.B. die Politik vielleicht zwar wollte, aber die Wirtschaft, deren finanzielle Hilfe notwendig wäre, nicht mitzieht, oder die Macht den Widerspruch des Wählers fürchtet. Ein Herrschaftsdenkmal ist das eine, freie Kunst ein anderes. Wie frei kann Kunst sich dort entfalten, wo Langfristigkeit notwendig, aber Kurzsichtigkeit der Fall ist, wenn durch ein Kunstwerk die mikroskopische Struktur einer Landschaft, eines urbanen Umfeldes verändert wird? Hier geht es ja auch um eine scharfe Konfrontation mit Alltagsästhetik, die nach standardisierten Mustern abläuft. Ein Symposion beschäftigte sich 2005 mit dieser Thematik unter dem Titel: "Dual Commitment", was eben bedeutet, dass der Künstler zwischen dem kunstimmanenten Anspruch und den meist kunstfernen Zielgruppen agieren muss.4

 

Valentin Oman gehört jener Generation an, die nach dem Krieg, also nach 1945 im Zuge des Wiederaufbaus5 zum Zuge kommen konnte, zum Ersten weil sie auf Grund ihrer Jugend politisch unverdächtig war, zum anderen, und das trifft auf Oman zu, ihre Honorarforderungen noch ziemlich bescheiden waren. Es ging nicht darum, den großen Markt zu erobern, sondern schlichtweg darum, mit seiner Arbeit, eben der Kunst, zu überleben. Der Verkauf von Bildern an Private war ja eher mühsam und als dieser Markt in den 80er Jahren zu boomen begann, hatte Oman seinen Ruf als technisch versierter Fachmann für die Gestaltung sog. öffentlicher Räume bereits begründet.

 

Kunst im öffentlichen Raum sind in der Regel Auftragsarbeiten, es gibt also einen Auftragsgeber, der aus verschiedenen Gründen an einem bestimmten Ort ein Kunstwerk haben will. Er vergibt den Auftrag, der Künstler führt ihn aus, er muss nun die Balance finden zwischen den Wünschen des Auftraggebers und seiner eigenen künstlerischen Freiheit. Das kann, muss aber nicht immer ein Problem sein. Er wird dafür bezahlt – das Kunstwerk ist also da und was nun? Es kann jahrelang stehen und dann kommt eine andere Generation, der das Kunstwerk nichts mehr sagt. Das Gebäude, mit dem das Werk verbunden ist, wird umgebaut, abgerissen – wohin mit der Kunst? Das Urheberrecht bleibt zwar beim Künstler, aber was heißt das? Ist es einklagbar? Oman plädiert für mobile Kunst, sie sollte transferierbar sein. Auch Fresken können abgenommen werden, seine Figuren sind leicht von der Wand abzulösen. Nur keine Determinierung über Generationen hinaus. Als eines Tages von Oman gestaltete Relieftafeln des Klagenfurter Hallenbades auf einer Schutthalde landeten, gab es einen medienwirksamen Aufschrei. Ein Aufmerksamer hatte diese Tafeln auf dem Schrottplatz entdeckt und um wenig Geld gekauft. Oman hätte die Stadt Klagenfurt wegen Verletzung des Urheberrechtes klagen können. Er hat es, wie die meisten Künstler es vermutlich tun würden, nicht getan. Dahinter steckt freilich auch eine Wertigkeitsfrage: Wie wichtig ist der Gesellschaft Kunst? Braucht ein Hallenbad Kunst? Zuerst war beim Bau weniger an künstlerische Ausgestaltung gedacht gewesen als an die Möglichkeit, Gelder, die den ordentlichen Haushalt nicht belasten, für Künstler locker zu machen, Der Auftraggeber hat auch so ein Commitment zu finden: die Möglichkeiten und Toleranzgrenzen seiner Geldgeber (Steuerzahler), die Freiheit des Künstlers und die Anforderungen seitens des Architekten sind unter einen Hut zu bringen. Allerdings ist hinter all diesen Entstehungsgeschichten eine Einzelperson festzumachen, die eine Vorstellung hat, und dann versucht, andere für ihr Vorhaben zu gewinnen.

 

Einige Arbeiten Omans für den öffentlichen Raum sind "verschwunden" – eine Wandgestaltung im Gewerkschaftsferiendorf in Ossiach, ein Brunnen in Velden, an der Karawankenblicksiedlung musste eine Arbeit dem Thermoputz weichen – auch hier stehen Menschen dahinter, die eine Vorstellung vom Wert der Kunst haben. Für Valentin Oman bedeuteten öffentliche Kunstaufträge schlicht und einfach die Möglichkeit, von seiner Kunst zu leben. Für den Auftraggeber war Oman ein professioneller, dennoch umgänglicher Partner, der unterschiedliche Techniken beherrscht, die zum Teil während des Studiums an der Akademie für angewandte Kunst oder durch Experimentieren am konkreten Objekt erworben worden waren. Bei der Auftragsvergabe spielt auch das soziale Netzwerk eine wichtige Rolle: der jeweilige Architekt hat mitzureden, es gibt Kunstbeiräte, es kam Oman für einige Objekte zugute, dass er sich selbst zur slowenischen Minderheit in Kärnten zählt und dass er am bischöflichen Seminar in Tanzenberg, das bis in die 70er Jahre herein ein Seminar für angehende Priester war, maturiert hatte. Ehemalige Zöglinge dieses Seminars waren später Priester in Pfarren, die Valentin Oman mit Aufträgen bedachten. Da spielen Wettbewerbe dann eine geringere Rolle, aber immerhin hat Oman den Wettbewerb (wann??) für die Aufbahrungshalle Annabichl in Klagenfurt gewonnen und zum Ärger älterer Kollegen auch den Auftrag erhalten. Oman beherrschte ohne große theoretische Erörterung das, was, wie bereits erwähnt, heute Dual Commitment heißt: Er wusste genau Bescheid über das Umfeld, er verfolgte mit seiner Kunst keinerlei Hegemonieansprüche und unterstützte solche auch nicht für seine Auftraggeber. Wichtig für ihn war die bauliche Voraussetzung, die er gegebenenfalls und wenn rechtzeitig mit ihm gesprochen wurde, auch beeinflusste, (das war eher die Ausnahme), wichtig waren ihm seine künstlerische Freiheit, die er sich selbst auf die gegebenen Möglichkeiten hin einschränkte, aber nicht von außen her einschränken lassen wollte. Das ist immer auch eine Gratwanderung, eine Streitfrage, die Oman dank seiner fundierten humanistischen Ausbildung verbal auch in der zweiten Landessprache auszudrücken verstand. Kunst ist, wenn sie im öffentlichen Raum stattfindet, eben in ein soziales Umfeld eingebettet, das es zu bedenken gilt. Auftraggeber waren Gemeinden, die Kirche, gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften, Gewerkschaft, Bundesministerien. Gelder des Landes kamen nicht direkt, sondern auf dem Umweg über die Projektträger für Kunst zum Tragen. Öffentliche Aufträge zeichnen sich in der Regel durch größere Dimensionen aus: Statt großer Wandbilder liefert Oman lieber Arbeiten aus seinem Atelier, die eben mobil sind, freilich der für öffentliche Räume meist geforderten Monumentalität entbehren, die aber durch Wiederholung und Differenz bei der Aufstellung vor Ort kompensiert wird, d.h. eine Serie von miteinander korrespondierenden Arbeiten kann auch eine monumentale Wandgestaltung ergeben. Ein schönes Beispiel dafür ist die kleine Rundkirche St. Margareten bei Wasserhofen, hier wirken die Figuren wirklich monumental, sie wirken suggestiv, so, als sähe man auf eine Reihe Außerirdischer, die durch die weiße Wand hereinkommen. Abgesehen davon hat Oman hier sehr subtil auf die schablonierte, bemalte Holzdecke reagiert. Dass er auch flächendeckend arbeiten kann, das zeigen die wirklich großen, aber im Verhältnis zum Gesamtbau nicht monumental wirkenden Wandgestaltungen in der Kirche in Tanzenberg und das alles umfassende Kreuz in der Aufbahrungshalle in St. Michael bei Bleiburg.

 

 

 

1 Vgl. Wolfgang Welsch in einem Einführungsvortrag am 13. 11.1991 anlässlich des Unikunsttages an der Universität Münster. www.km4042 25. Juli 2005 2 E.M. Cioran, Ce maudit moi, Erker Presse, St. Gallen 1983

 

3 Universität Augsburg, Kunst am Campus, Constanze Kirchner und Hans Otto Mühleisen (Hg), Lindenberg/Allgäu 2005, S. 2

 

4 Dual Commitment, Pressetext , Symposion 15./16. Juli 2005 im Radiokulturhaus Wien

 

5 Wiederaufbau ist zwar der gebräuchliche Ausdruck für das, was nach den Zerstörungen des Weltkrieges geschah, besser wäre eine Neugestaltung gewesen, die auf neuen Denkmustern hätte gründen müssen. Das Wort Wiederaufbau könnte allmählich mit dem Unterton des Bedauerns verwendet werden.

 

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